Wie du deinen Orientierungssinn trainieren kannst

„Ich habe einfach überhaupt keinen Orientierungssinn.“ Könnte dieser Satz vielleicht von dir stammen? Dann bist du hier genau richtig, denn in diesem Beitrag erfährst du, wie du deinen Orientierungssinn beim Wandern verbessern kannst.

Die Angst, sich zu verlaufen, hält so manch einen davon ab, alleine zu wandern. Das ist schade und muss nicht sein, denn in uns allen schlummert die Fähigkeit, sich in der Natur zurecht zu finden.

Der Orientierungssinn ist uns zum Teil angeboren, und wird zum Teil erlernt. Das bedeutet, dass man ihn durch Übung verbessern kann. Leider tun wir im Alltag oft genau das Gegenteil: Wir greifen immer mehr auf technische Hilfsmittel wie Navis und Apps zurück, und unser Orientierungssinn verkümmert zunehmend. Irgendwann stellen wir dann voller Unbehagen fest, dass wir uns ohne Technik überhaupt nicht mehr zurecht finden. Stell dir deinen Orientierungssinn als einen Muskel vor, der schrumpft, wenn du ihn nicht forderst. Diesen „Muskel“ gilt es wieder aufzubauen.

Übung 1: Sie dich um

Oft wandern wir so vor uns hin und kriegen gar nicht richtig mit, was um uns herum passiert – besonders dann, wenn wir zu zweit oder in der Gruppe unterwegs sind und durch Gespräche abgelenkt werden. Die absolute Basisübung, um den Orientierungssinn zu trainieren, besteht deshalb darin, sich mit offenen Augen zu bewegen und dabei die Landschaft ganz bewusst wahrzunehmen.

Nimm dir für diese Übung einen Weg vor, den du schon kennst. Geh diesen Weg nun einmal wirklich langsam und mit offenen Augen. Schau dir die Landschaft ganz bewusst an. Siehst du die Blumen am Wegesrand? Und den alten Baum? Hast du gemerkt, wie sich auf dem letzten Kilometer der Wald verändert hat?

Bleib ab und zu stehen und schau dich um. Ein Weg sieht oft anders aus, wenn man ihn in die entgegen gesetzte Richtung geht. Mir selbst bringt es sehr viel, wenn ich die Kamera mitnehme, denn bei der Suche nach schönen Motiven habe ich ein ganz besonderes Auge auf meine Umgebung.

>>> Ein paar Tipps zum „Ankommen“ in der Natur findest du auch in meinem Blogartikel „Wie du beim Wandern zu dir kommst“

Übung 2: Wandern nach Karte

Die gute alte Wanderkarte hat – gegenüber einer App – den Vorteil, dass man einen größeren Ausschnitt sieht. Nichts gegen Apps und GPS-Geräte, sie sind außerordentlich hilfreich. Aber wenn du nach Karte wanderst, musst du dich sehr viel intensiver mit deiner Umgebung auseinandersetzen, als wenn du bloß einem Pfeil auf dem Display folgst. Du bist ständig dabei, die Informationen auf der Karte mit der Wirklichkeit abzugleichen und nimmst schon deshalb deine Umgebung sehr bewusst wahr.

Suche dir für diese Übung eine Wanderung, die du noch nicht kennst, und die im besten Fall schon auf der Karte eingezeichnet ist (bei guten Wanderkarten ist das der Fall).

Beschäftige dich schon vor der Tour mit der Route und Topographie. Versuche, dir die Landschaft vor Augen zu führen: Wo ist Wald, wo sind freie Flächen, welche Ortschaften liegen in der Nähe? Gibt es Seen, Flüsse, Landstraßen, an denen man sich orientieren kann? Wo geht es bergauf und wo bergab?

Versuche dir, wenn du unterwegs bist, immer wieder klar zu machen, wo du genau bist. Das kann – gerade am Anfang – bedeuten, dass du mit dem Finger auf der Karte genau verfolgst, wo du lang gehst. Natürlich ist das mühsam. Aber das Ganze ist ja nun mal ein Training. Schon bald wirst du merken, dass es dir immer leichter fällt, ein Gefühl für die Streckenlänge zu bekommen und die Infos aus deine Karte ins Gelände zu übertragen und umgekehrt.

Übung 3: Ohne alles

Das ist eine Übung, die mir sehr viel Sicherheit in Sachen Orientierung gegeben hat. Man versucht ganz ohne Karte oder Navi seinen Weg zu finden und verlässt sich einzig und alleine auf seinen Orientierungssinn.

Wichtig ist, dass du dir bei Beginn der Wanderung deinen Ausgangspunkt im Handy oder GPS-Gerät abspeicherst, damit du auf jeden Fall wieder zurück findest.

Am besten fängst du erst mal mit einer kleinen Tour in einem Gebiet an, das dir schon vertraut ist, in dem du aber noch nicht jeden Weg kennst. Versuche eine Rundtour zu gehen. Präg dir beim Gehen genau ein, in welche Richtung du gehst, wie das Gelände ist, was am Wegesrand steht. Du wirst merken, dass du sehr viel mehr siehst, wenn du beim Wandern nicht ständig auf die Karte oder das Handy schaust. Hör auf deinen Bauch. Wenn es dir zu mulmig wird, dreh um und geh den gleichen Weg zurück. Es kann nichts passieren, denn du hast die Daten ja abgespeichert. Im schlimmsten Fall bist du ein paar Kilometer abgedriftet – okay, dann wird das heute mal ein etwas längerer Tag (nimm dir für diese Übung immer genügend Zeit und packe Wasser und Nervennahrung und im Winterhalbjahr eine Taschenlampe ein).

Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt, und der ist bekanntlich immer der schwerste. Aber du wirst beim Üben schnell merken, dass sich ein Erfolg einstellt und du zunehmend an Sicherheit gewinnst. Und damit eroberst du dir ein großes Stück Freiheit! Erst wenn du keine Angst mehr hast, dich zu verlaufen, kannst du das Wandern so richtig genießen.

Es gibt natürlich noch viele andere Ideen und Methoden, um den Orientierungssinn zu verbessern. Mich würde sehr interessieren, wie IHR das macht. Lasst es uns wissen!

2 Gedanken zu „Wie du deinen Orientierungssinn trainieren kannst

  • 27. Oktober 2021 um 9:10
    Permalink

    Danke für deinen Artikel!
    Ich mache mir in der Schweiz oft ein Spiel daraus, mir unterwegs Fotos von den 1:25’000er-Karten auf den Infotafeln zu machen. So spare ich mir das Mitführen einer Karte und kann im Zweifelsfall doch auf der Karte nachschauen. Im Vorfeld studiere ich die Route auf den Online-Karten des Bundes grob, sodass ich einen ungefähren Überblick über die Landschaft habe. Das hilft auch sehr. Ich bin dann aber dennoch immer überrascht, wie falsch ich mir gewisse Abschnitte vorgestellt hatte.
    Einmal wollte ich im Tessin von Rivera-Bironico (Ceneri) über die Flanke des Monte Bigorio, Bigorio, Tesserete und Comano nach Lugano wandern. Ich habe mir die rund 20km lange Route intensiv auf der Karte (1:25’000) eingeprägt. In der Bahn auf den Monte Ceneri habe ich dann gemerkt, dass ich die Karte im Domizil hatte liegen lassen. Im ersten Moment wollte ich umkehren und die Karte holen. Da hätte ich aber sehr viel Zeit verloren. Also habe ich beschlossen, dem zu vertrauen, was ich mir von der Karte eingeprägt hatte. Ich bin pünktlich in Lugano angekommen, wo ich mich mit meiner Schwester zum Essen verabredet hatte. Wieder zurück habe ich meine Route mit der Karte verglichen und festgestellt, dass ich mich recht exakt an meinen Plan gehalten hatte. Dieses Erlebnis hat mein Vertrauen in meine Orientierungsfähigkeit nachhaltig geprägt.
    Nichtsdestotrotz verirre ich mich gelegentlich einmal. Aber das ist ja in den meisten Fällen nicht weiter schlimm…

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    • 27. Oktober 2021 um 11:33
      Permalink

      Hallo Michael.
      Vielen Dank für Deinen Erfahrungsbericht. Ja, man muss einfach den Mut haben, sich selbst zu vertrauen und sich auf seine Sinne zu verlassen.

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