Wandern im Ruhrgebiet

Wenn dich die Überschrift jetzt zum Staunen bringt, warst du wahrscheinlich noch nie hier. Wandern im Ruhrgebiet ist völlig okay. Man riskiert weder eine Staublunge, noch verfällt man in Depressionen, denn der Ruhrpott ist alles andere als grau. Entgegen aller Klischees können die Einheimischen sogar in grammatikalisch halbwegs richtigen Sätzen kommunizieren. Okay, der Spaß hört auf, wenn du hier im falschen Fußball-Trikot rumläufst. Aber da muss man sich vorher einfach gründlich informieren.

Mit diesem Artikel möchte ich dir das Wandern im Ruhrgebiet schmackhaft machen. Wenn du noch nie da warst, wirst du überrascht sein, wie GRÜN der Pott ist. Und wenn du das große Glück hast, hier wohnen zu dürfen, findest du vielleicht noch die ein oder andere Anregung für eine nette Tour. Denn eins ist klar: Langweilig wird es im Pott nicht! Dafür sorgen der ständige Wechsel von „irgendwie städtisch“ und „irgendwie ländlich“, das Verwirrspiel mit den Ortseingangschildern („Sind wir nicht die ganze Zeit schon durch Herne gelaufen?“) und nicht zuletzt der Ruhri selbst. Ich sach‘ nur: Vorsicht vor harmlosen Plaudereien, die mit Fußball beginnen, über die aktuellen Baustellen der A40 zum Erlebnisbericht der letzten Radtour auf Bahntrasse xy führen, und bei einem Stauder in irgendeinem Schrebergarten enden. Du weißt ja, Gehzeiten werden beim Wandern immer OHNE Pausen angegeben.

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Die Vorteile beim Wandern im Ruhrgebiet

Mal abgesehen von seinem hohen Erlebnis- und Unterhaltungswert bietet der Pott dem Wanderer eine hervorragende Infrastruktur. Der Sauerländische Gebirgsverein hat das mit dem „urban hiking“ schon früh begriffen (womöglich sogar erfunden) und eine Vielzahl an Wegen im Ruhrgebiet markiert. Inzwischen haben Wandervorschläge auf den Seiten einiger Stadtmarketinggesellschaften und der Ruhr Tourismus ihren festen Platz – und das zu Recht, lässt sich doch die Region zu Fuß besonders intensiv erleben. Dabei läuft man nicht bloß durch Häuserschluchten. Nein, das Ruhrgebiet ist nach wie vor eine Ansammlung von kleineren und größeren Dörfern, zwischen denen es so was wie Natur in Form von Parkanlagen, Industriebrachen, Schrebergärten, Friedhöfen, Wiesen und Feldern gibt. Am Rand der Städte liegen ausgedehnte Waldgebiete, wie zum Beispiel die Elfringhauser Schweiz und die Haard.

Mit den Öffis kommt man (fast) überall hin – auch, wenn man über die Ticketpreise streiten kann … Jedenfalls kann man prima die Tour zum Beispiel in Essen beginnen und in Mülheim (Oberhausen, Bochum, Gelsenkirchen, Hattingen) beenden und mit der Bahn zurück fahren.

Essenstechnisch ist man als Wanderer auch bestens versorgt: Cafés, Biergärten, Döner- und Eisbuden – alles reichlich vorhanden.

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Die Herausforderungen beim Wandern im Ruhrgebiet

Es bleibt beim Wandern im städtischen Raum nicht aus, dass man auf Asphalt geht. Bergstiefel sorgen für brennende Fußsohlen und machen wenig Sinn. Ich empfehle so genannte Leichtwanderschuhe oder einfach Turnschuhe. Auf jeden Fall sollte die Sohle nicht zu hart sein.

Für Nicht-Ortskundige kann die Sache mit der Orientierung im Ruhrgebiet eventuell eine Herausforderung werden. Ahnungslose Menschen behaupten ja, hier sähe alles gleich aus. Damit man sich nicht völlig verirrt, haben die Einheimischen jede Menge Fördertürme und andere Landmarken, wie zum Beispiel Halden mit was drauf, Fußballstadien und neuerdings auch Windräder aufgestellt.

Nicht zuletzt sollte darauf hingewiesen werden, dass der ein oder andere Wanderweg an einer Köttelbecke entlang führt. Das sind offene Abwasserkanäle, die gerade von der Emschergenossenschaft mit großem Aufwand renaturiert werden. Solche Baustellen versperren einem gerne mal den Weg und sorgen für abenteuerliche Querfeldein-Passagen. Und naja, bis die Renaturierung fertig ist, riecht’s halt auch ein bisschen streng.

>>> Hier gibt es einen Bericht vom WDR zum Emscherumbau

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Tourenvorschläge

Butter bei die Fische, hier kommen ein paar Wandertipps. Die vorgeschlagenen Tagestouren sind von ihrem Charakter her sehr unterschiedlich und daher super geeignet, um die Vielfalt des Ruhrgebiets zu erleben. Natürlich gibt es noch mindestens 1.000 weiteren Touren. Dazu findest du ganz am Ende des Artikels noch eine Linkliste.

Baldeneysteig

Der Baldeneysteig ist sicherlich der bekannteste Wanderweg im Ruhrgebiet. Für alle, die ihn noch nicht kennen: Der Weg führt über eine Strecke von 26,7 km einmal rund um den Baldeneysee im Essener Süden. Dabei geht man überwiegend auf Waldwegen und kleinen Pfaden und macht man in Summe +/- 600 Höhenmeter! Die Bezeichnung „Steig“ ist für hiesige Verhältnisse also durchaus nicht übertrieben. Am Wegesrand liegen die Villa Hügel, die Siedlung Brandenbusch und der Stadtteil Werden mit mindestens zwei Eiscafés. Kleiner Wermutstropfen: Man befindet sich in der Einflugschneise zum Düsseldorfer Flughafen, und eine Boing im Landeanflug kann schon mal die Idylle stören.

Wo? Essen

Streckenlänge: 26,7 km.

Anreise: S-Bahn bis Essen-Kupferdreh oder Essen-Werden

>>> GPS-Daten bei ich-geh-wandern.de

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Halde Hoheward und Ewaldsee

Ein Klassiker im nördlichen Ruhrgebiet ist die Halde Hoheward, die sich hervorragend mit einem Abstecher in den Emscherbruch kombinieren lässt. Bergbau ist auf dieser Wanderung das große Thema: eine still gelegte Zeche, die größte Halde Europas und eine sumpfige Waldlandschaft, die unter anderem durch Bergsenkungen entstanden ist.

Wo? Herten, Gelsenkirchen

Streckenlänge: 16 km

Anreise: SB27 bis Wanne Waldfriedhof

>>> GPS-Daten bei ich-geh-wandern.de (Hinweis: Auf der Hoppenbruch-Halde führt die GPS-Strecke teilweise durch Mountainbike-Gelände. Das ist ein Fehler und nicht ungefährlich, denn die Biker fliegen tief. Also, immer schön auf dem Hauptweg bleiben und NICHT den Abstecher zum MTB Pausenplatz machen!)

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Ein Hauch von Irland

Sanfte Hügel, sattes Grün, so weit das Auge reicht – jetzt fehlen nur noch die Schafe! Habt Ihr Sehnsucht nach Irland? Dann geht doch mal nach Castrop-Rauxel! Auf den Spuren des irischen Unternehmers W.T. Mulvany könnt Ihr bei dieser Wanderung die ehemalige Zeche Erin, eine alte Pferderennbahn, einen keltischen Baumkreis, Haus Goldschmieding samt Park und die Halde Schwerin erkunden.

Wo? Castrop Rauxel

Streckenlänge: ca. 11 km

Anreise: mit der Bahn bis Castrop-Rauxel Süd

>>> GPS-Daten bei Komoot

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Idylle pur in Herten und Gelsenkirchen

Die Wanderung von Buer nach Westerholt gehört zu meinen Lieblingstouren im Ruhrgebiet. Zum einen geht man fast nur durch’s Grüne. Zum anderen switcht man mal eben vom Pott in eine Fachwerkidylle mit engen Gassen, gusseisernen Laternen, Geranien vor den Fenstern und hölzernen Herzchen an den Haustüren. Wer mag, kann die Tour noch bis zur Rungenberghalde verlängern.

Wo? Gelsenkirchen, Herten

Streckenlänge: 14 km

Anreise: Straßenbahn 302 bis Gelsenkirchen Berger See

>>> GPS-Daten bei Komoot

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Auf dem Aubergweg von Duisburg nach Werden

Auf der Tour präsentiert sich der Pott von seiner grünen und idyllischen Seite. Durch den Duisburger Stadtwald geht es nach Saarn und weiter durch das Ruhrtal und über die Ruhrhöhen nach Kettwig und Werden. Die gesamte Tour ist 32 Kilometer lang, aber man kann sie splitten: Etappe 1 von Duisburg nach Saarn, Etappe 2 von Saarn nach Werden oder Kettwig.

Wo? Duisburg, Mülheim, Essen

Streckenlänge: 32 km

Anreise: Straßenbahn 901 bis Duisburg Zoo, zurück mit der S6 ab Werden oder Kettwig

>>> GPS-Daten Aubergweg komplett bei ich-geh-wandern.de

Zum Aubergweg gibt es eine Folge bei unserem Podcast Tief im Westen

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Elfringhauser Schweiz

Wer ein paar Höhenmeter machen möchte, ist hier gut aufgehoben. Die Gegend zwischen Hattingen und Velbert macht ihrem Namen alle Ehre: Die Elfringhauser Schweiz ist verdammt hügelig und nebenbei auch noch sehr romantisch! Wälder, Felder, Bauernhöfe. Ein Bächlein plätschert, die Vöglein singen, und für ein paar Stunden macht man einfach so was wie … – Urlaub!

Wo? Hattingen, Velbert

Streckenlänge: 25,5 km

Anreise: S9 bis Velbert Nierenhof

>>> GPS-Daten bei Komoot

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Nordsternpark und Schurenbachhalde

Industriekultur pur! Wir haben im Angebot: die ehemalige Zeche Nordstern, heute Teil des Nordsternparks, die Schurenbachhalde mit der „Bramme für das Ruhrgebiet“, den Rhein-Herne-Kanal, die Emscher, die Schachtanlage 4/5/11 von Zollverein, den Revierpark Nienhausen, eine Trabrennbahn, eine Zechensiedlung, eine Moschee und eine Taubenklinik. Und wer danach noch nicht genug hat, kann noch einen Abstecher zum Welterbe Zollverein machen.

Wo? Gelsenkirchen, Essen

Streckenlänge: 16 km

Anreise: Straßenbahn 107 bis Gelsenkirchen Trabrennbahn

>>> GPS-Daten bei ich-geh-wandern.de + Verlängerung nach Zollverein

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Die Haard

Mein Lieblingswandergebiet im nördlichen Ruhrgebiet. Ein ausgedehntes Waldgebiet, in dem man unter der Woche weitestgehend alleine ist. Abseits der Hauptwege laden viele kleine Pfade zur Erkunden dieser hügeligen Waldlandschaft ein.

Wo? Kreis Recklinghausen

Streckenlänge: 11 km

Anreise: Bus 231 bis Oer-Erkenschwick Maritimo

>>> GPS-Daten bei Bergfex

Weitere Tourenvorschläge für die Haard gibt es bei der Ruhr Tourismus.

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Wer lieber ein Buch in der Hand hat

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